Der Wermelskirchener General-Anzeiger schreibt am 21.05.2012
über das Konzert am 19.05.2012 in der evangelischen Stadtkirche Wermelskirchen, mit den Gästen der Pößnecker Kantorei:
„Jauchzet dem Herren“
Von Thomas Wintgen
Die Kantorei der Stadtkirche Pößneck (Thüringen) hat der Ev. Kantorei Wermelskirchen am Himmelfahrt-Wochenende zum 80. Geburtstag gratuliert. Und beide zusammen haben mit ihren Kantoren ein bemerkenswertes Chor- und Orgel-Konzert in der Stadtkirche gegeben.
Es war ein Konzert, welches – dank der Gäste – mit dem den Komponisten Andreas Willscher bekannt machte, Jahrgang 1955, seit zwölf Jahren Kirchenmusiker in Hamburg-Wandsbek. Der in Wermelskirchen bestens bekannte Kantor Hartmut Siebmanns kennt Willscher, und daraus hat sich eine Zusammenarbeit entwickelt.
So hat Willscher der Pößnecker Kantorei den Psalm 148 geschrieben, von ihr anlässlich ihres 275. Jubiläums (2010) uraufgeführt – mit „schrägen und schönen“ Momenten, wie es Siebmanns ausdrückte. Das „Halleluja“ ist dem Psalm nicht nur Auftakt – mit harmonischen wie dynamischen Spannungen -, sondern gewissermaßen auch Finale, wo Willscher den Satz aus Händels Messias zitiert; er baute interessante Zwischenstationen ein wie den sinustonartigen Moment oder das Flüstern, schrieb den Psalm unterm Strich aber durchaus konventionell. Zwischenapplaus für dieses Stück!
Mit dem frischen „Laudate omnes gentes“ hatten die Pößnecker Gäste den Chor-Teil des Konzerts in der Stadtkirche eingeleitet. Hartmut Siebmanns legte den Komponisten noch zweimal an der Orgel auf – zunächst mit der höchst originellen Fantasie über „Eine feste Burgist unser Gott“.
Die dazugehörige Kantate hat die Pößnecker Kantorei im Übrigen am vergangenen Reformationstag uraufgeführt – und sich trotzdem auch noch ans Weihnachtsoratorium gemacht (wie die hiesige Kantorei das in diesem Jahr vor hat); in diesem Jahr steht der „Messias“ auf dem Programm.
Hartmut Siebmanns hat im Herbst vergangenen Jahres an der historischen Link-Orgel der Pauluskirche in Ulm eine Willscher-CD eingespielt – mit drei ihm gewidmeten Werken, darunter aus dem Hamburger Orgelbuch eine Toccata funambulesque, die er auch dem Wermelskirchener Publikum nicht vorenthielt. Dankenswerterweise.
Bravouröse Interpretation der
„Toccata funambulesque“
Das waren sechs begeisternde Minuten. Funambulesque ist einerseits der Seiltänzer, bedeutet andererseits so viel wie extravagant oder ausgefallen. Alles passt irgendwie auf dieses herrliche Virtuosenstück par excellence in bester französischer Tradition mit Musette- und Spieluhr-Elementen, von Siebmanns bravourös interpretiert!
Die beiden Kantoreien wechselten einander ab und sangen auch gemeinsam, zum Teil von Margret Thiemann am Positiv bzw. Elektro-Klavier begleitet. Bei der Vielzahl von Stücken wäre es Überforderung, sie sämtlich zu erwähnen. Bemerkenswert der gute Sopran-Einsatz nach dem (Positiv-) Zwischenspiel in Händels „Dank sei dir“, die sprachlichen Feinheiten des „Cantate domino“ (Schütz), der Bass-Einsatz in „Singet dem Herrn ein neues Lied“ sowie der wunderbar „volle“ Chor in Humperdincks „Abendsegen“.
Es spricht für die Qualität beider Kantoreien, dass sie quasi aus dem Nichts heraus ein dermaßen anspruchsvolles und routiniert verlaufendes Konzert auf die Beine gestellt haben.
Alle Achtung auch den beiden Kantoren für die umsichtigen Dirigate und ihre Leistungen an der Orgel. Johannes Meyer legte sich Max Regers „Benedictus“ und Dietrich Buxtehudes Präludium und Fuge E-Dur auf – ein gerade in der Fuge ausgesprochen anspruchsvolles Werk, zumal es sich um eine typisch „norddeutsche Toccata“ handelt, mit verschiedenen Elementen einer großartig ziselierten Kette. Wieder Bravo!